Die friedliche Revolution und die Demokratisierung Bayerns in den
104 Tagen der Regierung Eisner
Die Unabhängige SPD (USPD) lädt für den 7. November 1918 zu einer
Kundgebung auf die Theresienwiese ein, die Mehrheits-SPD schließt
sich an. Um 15 Uhr beginnt die Kundgebung auf der Wiesn. Die Zahl
der Teilnehmer/innen liegt je nach Quelle zwischen 40.000 und über
100.000 Menschen.
Die SPD mit dem Vorsitzenden Auer hält ihre Reden an der Bavaria.
Die USPD beginnt zeitgleich unterhalb des Hackerbräu. Dort reden
u.a. Kurt Eisner und der Bauern-führer Ludwig Gandorfer.
Danach formieren sich zwei Demonstrationszüge. Die SPD geht in einer
großen Friedensdemonstration zum Friedensengel. Dort löst sie die
Kundgebung auf.
Kurt Eisner, Ludwig Gandorfer, Felix Fechenbach, Hans Unterleitner
ziehen mit Arbeitern und Soldaten zu den Kasernen und fordern die
dort stationierten kriegsmüden Soldaten zum Mitgehen auf.
Unterwegs schließen sich immer mehr Menschen an. Die Soldaten der
Türkenkaserne werden u.a. von Mühsam überzeugt mit zu gehen. Am Ende
sind es Zehntausende, die zum Mathäserbräu marschieren. Dort wird
das Standquartier der Arbeiter- und Soldatenräte eingerichtet. Damit
dokumentiert sich der
Machtwechsel.
Aus Demonstration wird Revolution
Die Revolution geht kampflos und ohne Blutvergießen vor sich. Das
ist deshalb möglich, weil fast alle Bevölkerungsschichten kein
Vertrauen mehr in die alten Herrschaftsträger und deren
Macht-apparate haben und das Regime dem Umsturz nichts
entgegensetzen kann. Sicher hätte nur ein einziges zuverlässiges
Bataillon genügt, der Revolution ein Ende zu setzen. Doch ein
solches Bataillon gibt es nicht mehr!
Im Mathäser tagen die spontan entstandenen revolutionären Arbeiter-
und Soldatenräte. Sie wählen Kurt Eisner zu ihrem Vorsitzenden und
ziehen dann zum Landtag. Kurz nach Mitter-nacht hält der neu
gebildete „Arbeiter- und Soldatenrat“ im Sitzungssaal der
Abgeordnetenkammer des Landtags an der Prannerstraße - unter der
Leitung Kurt Eisners - seine erste Sitzung ab.
Kurt Eisner proklamiert die „demokratische und soziale Republik
Bayern“! Die Monarchie ist damit gestürzt, die Republik geboren.
"Bayern ist fortan ein Freistaat“ lautet der dritte Satz eines
Aufrufs, der am Morgen des 8.11.1918 auf der ersten Seite der
„Münchner Neuesten Nachrichten“ veröffentlicht wird.
Bereits um 15:38 Uhr des 8. November tritt der „Arbeiter - und
Soldatenrat“ zum provisorischen Nationalrat zusammen, um eine
„Provisorische Bayerische Regierung“ zu wählen.
Schon am 5. Januar 1919 tritt das vorläufige Staats-Grundgesetz
Bayerns in Kraft.
Noch vor Ende des ersten Weltkriegs durch den Waffenstillstand von
Compiègne am 11. November 1918 wird also am 8. November 1918 im
alten Landtag in der Prannerstraße die Regierung Eisner gebildet.
Kurt Eisner und Hans Unterleitner (beide USPD) stehen vier Minister
der Mehrheits-Sozialdemokraten und zwei Parteilose gegenüber.
Vorsitzender des Gesamtministeriums (Ministerpräsident) und Minister
des Äußeren wird Kurt Eisner, USPD;
Inneres: Erhard Auer, SPD;
Kultusminister und Vertreter des Ministerpräsidenten wird Johannes
Hoffmann, SPD;
Militärische Angelegenheiten: Albert Roßhaupter, SPD;
Justiz: Johannes Timm, SPD;
Soziale Fürsorge: Hans Unterleitner, USPD;
Finanzen: Edgar Jaffé, parteilos (Professor an der Münchner
Handelshochschule);
Verkehr: Heinrich von Frauendorfer, parteilos (Vertreter der
liberalen Ministerialbürokratie).
Mit der Regierung Eisner endet die Wittelsbacher Herrschaft, die
Militärdiktatur der Weltkriegsgeneräle, die Zensur von Presse und
Kunst und die Schulaufsicht der Kirche.
Die Not der Bevölkerung und die Pein der traumatisierten und
verwundeten Soldaten können allerdings nicht in den knapp
15 Wochen Regierungszeit beendet werden.
Deshalb gibt es Demonstrationen von heimkehrenden Soldaten,
Kriegsversehrten, Arbeitslosen und Hungernden. Es kommt zum Streit
im Kabinett. Innenminister Auer ist für eine harte Linie gegenüber
den "Rädelsführern". Er setzt sich nicht durch.
Gleichzeitig hetzen politische Gegner aus reaktionären und
klerikalen Kreisen mit deutschnationalen und antisemitischen Parolen
gegen Eisner.
Die Weltkriegsgeneräle setzen die Dolchstoßlegende in die Welt. Es
beginnt ein Propagandafeldzug gegen die Revolution und die
Regierungen in Bayern und Berlin.
Die SPD ist zwar die Mehrheitspartei in der bayerischen Regierung.
Aber der SPD-Vorsitzende Auer arbeitet weiter massiv gegen Eisners
politischen Weg.
Er begann damit schon vor der Revolution. So versicherte er z.B. dem
königlichen Kabinett, dass die SPD eine konstitutionelle Monarchie
anstrebe.